Künstliche Intelligenz (KI) bietet enormes Potenzial – das viele Unternehmen noch nicht ausschöpfen. Häufig fehlt ein klarer Business Case, um das Management zu überzeugen und Investitionen zu rechtfertigen. Das Resultat: verpasste Chancen und nicht gehobene Wettbewerbsvorteile. Basierend auf unserer Erfahrung aus über 2.500 Daten- und KI-Projekten haben wir einen Ansatz entwickelt, der den Mehrwert von KI greifbar macht – technologie- und branchenunabhängig.
Unsere „AI Value Equation“ ist mehr als nur ein pragmatischer 4-Schritt-Leitfaden zur Quantifizierung des Mehrwerts von KI – inklusive konkreter Leitfragen und praxisnaher Hilfestellungen. Denn unsere Wertgleichtung adressiert gezielt gerade auch den entscheidenden Punkt, an dem viele Business Cases scheitern: die überzeugende Kommunikation gegenüber dem Management zur Investitionsfreigabe. Gemeinsam mit unseren Kunden entwickeln wir auf dieser Basis greifbare, überzeugende Wertversprechen für KI-Initiativen. Im Folgenden finden Sie einen Überblick über die vier Schritte:
Der erste Schritt auf dem Weg zum Mehrwert von KI besteht darin, die zentralen Werttreiber des Geschäftsprozesses zu identifizieren, der durch KI optimiert werden soll. Dabei stehen insbesondere folgende Fragen im Fokus: Welche Stellschrauben beeinflussen maßgeblich den Output des Prozesses? In welcher Größenordnung treten diese auf? Welche davon sind durch KI beeinflussbar? Und bei welchen lässt sich durch den KI-Einsatz tatsächlich ein spürbarer Mehrwert erzielen?
Ein Werttreiber lässt sich insbesondere an drei Merkmalen erkennen: Er tritt häufig auf, hat einen signifikanten Einfluss auf Erlöse und/oder Kosten des Prozesses – und ist zudem durch KI gezielt beeinflussbar. Treffen diese Kriterien zu, sind wir einem vielversprechenden Hebel auf der Spur – und der Business Case hat eine solide Grundlage.
Ein vereinfachtes Beispiel: Ein Spezialchemiehersteller identifiziert die Optimierung der Instandhaltung seines komplexen und störungsanfälligen Maschinenparks als strategischen Werthebel. Eine Analyse sowie Gespräche mit der Betriebsleitung zeigen: Der entscheidende Werttreiber in diesem Kontext ist die Anzahl frühzeitig erkannter Wartungsbedarfe. Denn je mehr potenzielle Defekte im Voraus erkannt werden, desto gezielter können Techniker präventiv eingesetzt werden, um Ausfälle zu vermeiden. Das Ergebnis: Produktionsstillstände werden verhindert – ebenso wie die damit verbundenen erheblichen Umsatzeinbußen.
Sind die zentralen Werttreiber eines Geschäftsprozesses identifiziert, geht es im nächsten Schritt darum, diese mit einer möglichen KI-Lösung kausal zu verknüpfen. Dazu wird jeder Treiber genau unter die Lupe genommen – hier sind sowohl Kreativität als auch die enge Zusammenarbeit von Fach- und Tech-Expertise gefragt:
Welcher konkrete Output einer KI-Lösung (z. B. ein automatisch generierter Fehlerbericht oder eine intelligente Produktempfehlung) könnte den jeweiligen Werttreiber tatsächlich beeinflussen? Welche Art von KI-Lösung wäre am besten geeignet, genau diesen Output zu liefern?
Diese Überlegungen sind essenziell, um den potenziellen Effekt einer KI-Lösung konkret greifbar zu machen – und bilden damit die erste echte Bewährungsprobe für jedes KI-Projekt. Sie zeigen: Lohnt sich das Ganze – oder eher nicht?
Im Beispiel des Spezialchemieherstellers wurden KI-Lösung, Werttreiber und finanzieller Nutzen durch folgende Werthypothese miteinander verknüpft:
Neue Maschinen sollen mit Hitze- und Vibrationssensoren ausgestattet werden. Ein KI-Agent – quasi ein virtueller Wartungsmanager, der rund um die Uhr arbeitet – könnte dann Auffälligkeiten in den Sensordaten automatisch erkennen, Wartungsbedarfe ableiten und direkt einen Auftrag an einen Techniker auslösen. So ließen sich mehr drohende Ausfälle frühzeitig verhindern.
Das Ergebnis: Weniger Produktionsunterbrechungen, weniger Umsatzverluste – und damit ein messbarer Beitrag zum Geschäftserfolg.
Hiermit stand das arithmetische Grundgerüst des Business Case: vermiedene Umsatzeinbußen = (Vermiedene Umsatzeinbuße pro erkanntem Wartungsbedarf) × (erkannte Wartungsbedarfe). Jenseits dieser vereinfachten Form wurden weitere Ergebniseffekte aufgenommen (bspw. reduzierte Notfallwartungskosten, reduzierter Ausschuss, reduzierte Abschreibungen aus Totalschäden).
Steht das Grundgerüst der Wertgleichung, geht es im dritten Schritt darum, die bislang nur qualitativ formulierte Gleichung wirklich zu beziffern – um den erwarteten Mehrwert zu quantifizieren.
Dabei wird Treiber für Treiber durchgegangen, nach dem Prinzip: „Facts first.“ Harte Daten haben Vorrang – zum Beispiel Messwerte wie Prozesskosten oder Durchlaufzeiten, oder Ergebnisse aus bereits durchgeführten Machbarkeitsstudien. Wo solche Daten fehlen, greift man auf Erfahrungswerte aus ähnlichen Projekten oder fundierte Expertenschätzungen zurück.
Dieser Schritt ist entscheidend, um den Mehrwert eines KI-Projekts zum ersten Mal greifbar zu machen – in Zahlen, die man überprüfen und überzeugend kommunizieren kann.
Zurück zum Beispiel des Chemieunternehmens: Für den geplanten KI-Agenten in der Instandhaltung wurden die zuvor definierten Werttreiber auf Basis von Erfahrungswerten aus ähnlichen Projekten sowie Einschätzungen des Wartungsteams quantifiziert.
Die Annahme: Der „KI-Wartungsmanager“ könnte die Zahl frühzeitig erkannter Wartungsbedarfe um 16–22 % steigern. Aktuell liegt die durchschnittliche Stillstandsbedingte Ausfallzeit bei 4 % der Produktionszeit – was jährliche Umsatzeinbußen von rund 17,04 Mio. € bedeutet.
Im realistischsten Szenario („Middle Case“) geht das Team davon aus, dass eine Steigerung um 19 % der erkannten Wartungsbedarfe die Stillstandsrate auf 3,24 % senken würde – was die Umsatzeinbußen auf etwa 13,81 Mio. € reduziert.
Ergebnis: Der KI-Agent würde allein durch vermiedene Produktionsausfälle rund 3,23 Mio. € zusätzlichen jährlichen Umsatz sichern – und damit einen klar bezifferbaren Mehrwert liefern.
Der letzte Schritt besteht darin, alle bisherigen Zahlen, Annahmen und Schätzungen zu untermauern und belastbar zu machen. Dies erfolgt in erster Linie durch kritische Überprüfung jeder Variable der Wertgleichung durch fachliche und technische Experten, sowie Quervergleiche mit Ergebnissen ähnlicher Projekte. Erfahrungswerte sind hier kritisch. Dieser Schritt ist entscheidend, um durch Transparenz über Datenquellen und Annahmen eine Glaubwürdigkeit für den Business Case herzustellen und den Case vor Entscheidungsgremien vertretbar zu machen. Eine Validierung durch ein Team aus internen und externen Experten schafft dabei erfahrungsgemäß das größte Vertrauen.
Im Beispiel des Chemieunternehmens wurde zur Härtung der Plausibilität der Wertgleichung jede Zahl und Variable mit Datenquellen, Annahmen und Szenarien unterlegt. Zentral waren hier etwa die Annahmen, dass ähnliche Verbesserungen wie in Vergleichsprojekten erzielt werden könnten, alle erkannten Wartungsbedarfe in rechtzeitige und erfolgreiche Wartungen übersetzt werden würden, und der KI-Agent keine “false positives” (also überflüssige Wartungsbedarfe) erzeugen würde. Wichtig war dabei, die Auswirkungen jeder einzelnen Annahme auf den Gesamtmehrwert klar zu dokumentieren. So lässt sich im Falle einer Falsifizierung – etwa in einer Business-Case-Diskussion – gezielt nachvollziehen, wie stark sich eine einzelne Annahme auf das Ergebnis auswirkt. Der Vorteil: Der Mehrwert des KI-Projekts wird nicht sofort insgesamt infrage gestellt, sondern mögliche Unsicherheiten können differenziert betrachtet und isoliert bewertet werden.
Unsere Erfahrung zeigt: In der Praxis überzeugen vor allem Einfachheit und Klarheit, wenn es darum geht, den Mehrwert von KI zu kommunizieren. Genau unter diesem Leitgedanken sind die vier Schritte unserer „Value Equation“ entstanden.
Natürlich gibt es komplexere – und möglicherweise präzisere – Methoden. Doch an den vier skizzierten Schritten führt kein Weg vorbei. Sie bilden das Fundament jedes fundierten Business Cases. In der Umsetzung gilt es, mit Augenmaß und Pragmatismus vorzugehen: Woher lassen sich verlässliche Schätzungen und Erfahrungswerte beziehen? Welche Rolle spielt der zeitliche Horizont? Wie werden die Projektkosten sinnvoll in die Mehrwertbetrachtung eingebettet? Und nicht zuletzt: Wie positioniert man den ermittelten Mehrwert strategisch im internen politischen Umfeld?
Diese Fragen zeigen, warum jeder Business Case individuell angepasst werden muss. Nur so entstehen belastbare, überzeugende Argumentationen – und damit echte Entscheidungsgrundlagen für die Investition in KI.
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